Kommunen: Daseinsvorsorge unter großem Druck

Die kommunalen Spitzenverbände haben im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen vor Folgen der Energiekrise für die Städte und Gemeinden gewarnt. Von der Bundesregierung verlangten sie schnelles Handeln und unter anderen einen Schutzschirm für kommunale Unternehmen sowie eine Preisbremse für Energie. Ein weiteres Problem verschärft sich durch die Energiekrise: der kommunale Personalmangel.

Mittwochmittag, Sitzungssaal 4.200 im Paul-Löbe-Haus. Erster Tagesordnungspunkt der Sitzung des Bundestags-Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen: die Lage der Städte, Gemeinden und Landkreise in der Energiekrise. Auch diesen Termin nutzen Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, um auf die möglichen Folgen der Energiekrise für die Kommunen und die Daseinsvorsorge hinzuweisen. 

»Die prognostizierte Verdoppelung bis Verdreifachung der Energiekosten werde zu massiven Problemen besonders bei der kritischen Infrastruktur wie Schulen, Pflegeheimen, Krankenhäusern und Kindergärten führen«, so geben die Parlamentsnachrichten Bernd Düsterdiek vom Städte- und Gemeindebund wieder. Vorübergehende Schließungen von Schwimmbädern oder Kultureinrichtungen könnten nicht ausgeschlossen werden – was vor allem jene treffen würde, die am ehesten auf öffentliche Angebote angewiesen sind, oftmals Menschen mit geringeren Einkommen. Tim Bagner vom Deutschen Städtetag erläuterte in der Ausschusssitzung den »extremen Druck«, der auf Kommunen laste – und vor allem auf den Stadtwerken. Wie auch Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag forderten die Vertreter der Spitzenverbände denn auch einen Schutzschirm für kommunale Unternehmen und staatlichen Zuschüssen zu den Netzentgelten. 

Hierzu haben sich die Bundesländer am Mittwoch auf die gemeinsame Forderung nach Einrichtung eines Schutzschirms für kommunale Energieversorger, also die Stadtwerke, verständigt. Politiker der LINKEN wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hatten dies bereits im Juli vorgeschlagen. Auch solle es »zusätzliche Maßnahmen zur Absicherung der sozialen Infrastrukturen und die Grundversorgungsberechtigung aller freien Träger, die staatliche Aufgaben übernehmen, bzw. entsprechender Leistungsträger bei Entgeltfinanzierung« geben, so die MPK-Runde.

Dabei geht es um den Schutz der öffentlichen sozialen Infrastruktur. Vor allem für die kommunal finanzierten sozialen Einrichtungen sei das Risiko von Schließungen sehr hoch, hatten zuvor mehrere Verbände gewarnt; ebenso vor einem eklatanten Anstieg der Eigenanteile für Pflegebedürftige und letztlich Unterversorgung. Auch die Verbände hatten von der Bundesregierung gefordert, einen Schutzschirm über soziale Dienstleister zu spannen.

Nach dem Willen der Länder sollen zudem Regelungen für insbesondere die Stundung von Steuern und die Aussetzung von Steuervorauszahlungen und einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht kommunalen Unternehmen zur Hilfe kommen. Und zum Schutz kommunaler Wohnungsunternehmen werden von den Ländern unter anderem Regelungen im Mietrecht zum Schutz vor Kündigungen in Härtefällen sowie ein Schutzschirm für die Wohnungswirtschaft und private Vermieterinnen und Vermieter verlangt.

Landkreistag-Vertreter Ruge verwies in dem Gespräch mit den Ausschussmitgliedern auch auf die kritischen kommunalen Einrichtungen, also solche, die unverzichtbar auch in Krisenfällen sind. In einer etwaigen Strom- und Gasmangellage könnten die Kommunen nicht ausreichend Ersatz vorhalten; hier seien die für den Katastrophenschutz zuständigen Länder und der Bund gefordert.

Sorgen äußerten die kommunalen Spitzenverbände im Bundestags-Ausschuss was generell ihre Finanzlage angeht. Auch hier machten sich nicht zuletzt die gestiegenen Energiepreise drastisch bemerkbar – und führe zu Rückgängen bei Investitionen, die ohnehin hinter den Notwendigkeiten zurückbleiben. Dies gelte auch für dringend benötigte Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung.

Hinzu kommt, dass Maßnahmen des Bundes, mit denen die Energiepreiskrise abgedämpft werden soll, von den kommunalen Verwaltungen auch gestemmt werden muss, um Wirkung zu erzielen. Beim Städtetag sorgt man sich, dass die von der Ampel-Koalition geplanten Reform des Wohngeldes, die unter anderem eine deutliche Ausweitung des Empfängerkreises um bis zu 1,4 Millionen Menschen vorsieht, diesen Aspekt zu wenig berücksichtigt.

Die abzusehende Steigerung der Zahl der Anträge auf Wohngeld bräuchte nach Ansicht des Städtetags auch eine Verdreifachung des Personals, das diese in den Kommunen bearbeitet. Die betreffenden Kräfte müssten zudem mehrere Monate in eine komplexe Materie eingearbeitet werden. Auch Thüringens Kommunen rechnen angesichts der Energiepreiskrise »mit einem Ansturm auf Wohngeld«, wie die »Thüringer Allgemeine« berichtet. »Die Bearbeitung der Anträge, die Auszahlung des Geldes und mögliche Widerspruchsverfahren setzten die Verwaltungen der Kommunen weiter unter Druck.« 

Die kommunalen Spitzenverbände hatten bereits vor einigen Tagen in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt, die Ausweitung des Wohngeldes »im Grundsatz ausdrücklich« zu begrüßen – und dieses »Ja« dann mit einem großen »Aber« versehen: »Das Konzept zur Einarbeitung in die rechtliche Materie der Wohngeldbehörden ist in den Kommunen auf einen Zeitraum zwischen sechs Monaten und einem Jahr ausgelegt. Mit neuem und ausreichend qualifiziertem Personal ist zum Anfang des Jahres nicht zu rechnen. Die anstehenden Aufgaben müssen mit dem derzeitigen Personalkörper bewältigt werden. Allein die Bereitstellung von Raumkapazitäten und IT-Infrastruktur im erforderlichen Maße stellt viele Wohngeldstellen vor große Probleme.« Die Verbände ersuchten die Bundesregierung dringend »eine echte Verwaltungsvereinfachung« zu ermöglichen, entsprechende Verbesserungsvorschläge zur spürbaren Entlastung der Fallbearbeitung für die Verwaltungen seien »nicht oder nicht adäquat in den Gesetzesentwurf zur Wohngeldreform übernommen« worden. 

Druck durch Energiepreise, Druck durch Finanzprobleme, Druck durch Personalmangel – in der Krise werden Fehler der Vergangenheit sichtbar, sei es der verschleppte Ausbau Erneuerbarer Energien, seien es finanzpolitische Sparideologien, seien es Personalabbau unter dem falschen Motto des »schlanken Staates«. Und in der Krise verstärken sich die Folgen dieser Fehler, wie man am Zusammenhang zwischen personeller Unterausstattung in den Kommunen und Wohngeldfrage sieht.

Erst vor wenigen Wochen hatte der Deutsche Beamtenbund unter Berufung auf seine Mitgliedsgewerkschaften vorgerechnet, dass im öffentlichen Dienst rund 360.000 Beschäftigte fehlten – dabei wurde auch der Personalbedarf mit einberechnet, der sich durch neue Aufgaben ergibt. In einer detaillierten Auflistung des Personalbedarfs vom Mai 2021 rechnete der Beamtenbund vor, dass allein in den Kommunalverwaltungen über 145.000 Beschäftigte fehlen. (aus Susannes Büros)