Aus dem Wahlkreis
Susanne hat mit Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, über Erinnerungskultur gesprochen. Außerdem besuchte sie die Thüringer Justizministerin Doreen Denstädt und war mit der Thüringer Linken an Erfurter Haustüren.
Wir müssen unsere Erinnerungskultur neu denken. Das habe ich an diesem Montag aus dem Gespräch mit Jens-Christian Wagner mitgenommen, dem Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Seine These: dass wir aktuell ein entkontextualisiertes Erinnern erleben. Der moralische Zeigefinger, der häufig in der Bildungsarbeit erhoben wird, bringt nicht mehr viel und stößt eher auf Abwehr als auf Verständnis. Eine opfer- aber auch täterzentrierte Erinnerungskultur ist ebenso zu kurz gegriffen und erfasst nicht das allumfassende Problem. Denn hierfür müssen auch Begrifflichkeiten neu gedacht und die NS-Gesellschaft in Gänze in den Fokus genommen werden, um erfolgreiche Bildungsarbeit für Jugendliche, aber auch Erwachsene leisten zu können.
Wir sind auf den Oscar-prämierten Film »The Zone of Interest« zu sprechen gekommen und haben schnell gemerkt, dass der Film bei uns beiden nachhaltige Momente geschaffen hat. Sandra Hüller spielt, in Suhl geboren, spielt die Frau des SS-Lagerkommandanten von Rudolf Höß, Rudolf Höß. Das Leben der Familie abseits der Lagermauer steht im Mittelpunkt. Interessant ist, dass der Film nie das Vernichtungslager selbst zeigt. Das vermeintliche Idyll schafft es, ein extremes Unbehagen zu erzeugen.
Jens-Christian Wagner merkte hier an, dass es genau diese Imaginationsfähigkeit ist, die es ebenso für die Bildungsarbeit braucht, um sie funktionieren zu lassen. Das »Reinversetzen« darf für ihn aber nicht nur über sogenannte Schockmomente stattfinden. Häufig werde sich in der Ausstellung in Buchenwald beschwert, dass der ominöse Lampenschirm nicht mehr zu sehen sei. Das Argument ist, dass dieser doch erst die Gräuel der Nazis richtig anschaulich machen würde.
Am 8. Mai eröffnet die Stiftung das neue Museum »Zwangsarbeit im Nationalsozialismus«. Das Museum im ehemaligen Gauforum stellt die gesamteuropäische Dimension der NS-Zwangsarbeit aus. Eröffnet wird gleichzeitig die Sonderausstellung »Bauhaus und Nationalsozialismus« der Klassik Stiftung Weimar. Aufgrund eines Brandes im November 2022 im Dachstuhl des zukünftigen Museums verzögerten sich die Bauarbeiten um einige Monate.
Im Anschluss an mein Gespräch mit Jens-Christian Wagner war ich zu Besuch im Thüringer Justizministerium und habe mich mit Ministerin Doreen Denstädt über die aktuellen Problemlagen im Bereich Justizpolitik unterhalten. Zu guter Letzt ging es am Berliner Platz noch mit der Thüringer Linken an die Haustüren, wo wir von den Menschen wissen wollten: »Wo drückt der Schuh?«