Gerichtsverhandlungen über Video in sensiblen Bereichen nicht zur Regel werden lassen
17.11.2023 – Susanne Hennig-Wellsow: Es ist sinnvoll, mit dem Einsatz von Videotechnik Gerichtsverfahren zu beschleunigen. Aber in sensiblen Bereichen wie der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeiten müssen Präsenzverfahren die Regel bleiben. Außerdem muss die Justiz zur Durchführung überhaupt erst ausreichend ausgestattet werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich begrüße die von der Bundesregierung beabsichtigte Förderung von Videoverhandlungen – allerdings mit Einschränkungen. Mit der Sozial- und Arbeitsgerichtsbarkeit gibt es Rechtsgebiete, die eine erhöhte Sensibilität in der Nutzung der Videotechnik erfordern. Dies berücksichtigt der Gesetzentwurf nicht in gebotenem Maß, was aus unserer Sicht durchaus ein Minuspunkt ist.
Verhandlungen vor Sozialgerichten haben häufig die Nichtbewilligung existenzsichernder Leistungen zum Gegenstand. Es geht also für die Betroffenen um eine höchst sensible Frage, die Menschen davon abhält, ihre Ansprüche geltend zu machen. Deshalb wäre es an dieser Stelle angemessen, den Zugang zu gerichtlichen Verhandlungen so einfach wie möglich zu gestalten, indem mündliche Verhandlungen in Präsenz weiterhin das übliche Verfahren darstellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Gleiche gilt aus anderen Gründen für Arbeitsrechtsprozesse. Ein wesentliches Element dieser Prozesse machen Güteverhandlungen aus. Diese führen auch deshalb häufig zu einvernehmlichen Lösungen, weil sich die Kontrahenten unmittelbar gegenüberstehen. Hier kommen feine Nuancen im gesprochenen Wort, die Mimik und die Gestik zum Tragen – also all das, was sich online viel weniger vermittelt. Deshalb sollte auch hier das persönliche Erscheinen vor Gericht die Regel bleiben.
(Beifall bei der LINKEN)
Dies vorausgeschickt unterstütze ich den Gesetzentwurf als Schritt in die richtige Richtung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)