Unwürdig, unhaltbar, unvernünftig

Die Abschaffung der kostenfreien »Bürgertests« erhöht das  Gesundheitsrisiko von Menschen mit geringen Einkommen und gefährdet die Existenz von Kultureinrichtungen. Dagegen machen Minister*innen und Senator*innen linker Landesregierungen aus Bremen, Berlin und Thüringen in einer gemeinsamen Erklärung mobil.

»Aktuell stehen wir am Beginn einer Sommerwelle. Für den Herbst und Winter ist mit einer weiteren Zunahme des Infektionsgeschehens zu rechnen«, heißt es in dem Papier von Klaus Lederer und Katja Kipping (Berlin), Claudia Bernhard und Kristina Vogt (Bremen) sowie Benjamin Immanuel Hoff und Heike Werner (Thüringen). Es sei zwar nicht sicher vorhersagbar, aber möglich, »dass Virusmutationen wieder zu einer größeren Gefährdung der Bürgerinnen und Bürger und einer erneuten kritischen Belastung des Gesundheitssystems führen werden«.

Vor diesem Hintergrund sei es fatal, wenn die Bundesregierung nun mit der neuen Testverordnung einen wichtigen Baustein im Kampf gegen Corona zerstöre: die kostenfreien Bürgertests. »Das ganze Vorhaben ist kritisch: Für weite Bevölkerungsgruppen ist die Eigenbeteiligung finanziell nicht tragbar, andere Teile haben gar keine Zugangsberechtigung mehr. Durch die bürokratische Umsetzung der Eigenbeteiligung droht das bislang breite Angebot an Testungen zu scheitern«, heißt es in der Erklärung.

Zumal Menschen mit geringem Einkommen aufgrund verschiedener Faktoren auch noch einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren und mit schwerem Verlauf zu erkranken. »Vor einer Infektion können sie sich bereits schlechter schützen. Jetzt noch weitere Hürden aufzubauen, sei es bürokratischer oder finanzieller Natur, birgt Risiken für alle, gefährdet das Erreichte – auch im Kultursektor: Wir sind angewiesen auf flächendeckende und kostenfreie Tests, weil wir nur so unsere Schutzmaßnahmen für Kultureinrichtungen möglichst sicher gestalten können, unnötige Risiken vermeiden und Zugänge für alle anbieten können.«

So treffe es »vor allem Menschen in Berufen, in denen man sich aufgrund beengter Arbeitsverhältnisse oder durch zahlreiche Kontakte besonders schlecht schützen kann«, wenn der Zugang zu Bürgertests erschwert werde – Infektionen blieben unentdeckt und der Infektionsdruck steige. »Das ist alles andere als ein Beitrag zur Armutsbekämpfung, obwohl flächendeckende soziale Entlastungen so notwendig sind wie lange nicht«, so die linken Minister*innen und Senator*innen. »Die Teilhabe an Kunst und Kultur, die Auseinandersetzung mit kulturellen Formaten, die Reibung an künstlerischen Positionen ist wesentlicher Bestandteil der Verständigung innerhalb unserer Gesellschaft. Menschen, die die Eigenbeteiligung nicht tragen können, werden ausgeschlossen. Dieser Umstand ist unwürdig und unhaltbar!«

Gegen die Abschaffung der kostenfreien »Bürgertests« spricht nach Ansicht der LINKEN-Politiker*innen im übrigen auch die ökonomische Vernunft. »Über zwei Jahre haben wir, beispielsweise, enorme Mittel in die Hand genommen, um Künstler*innen und Kultureinrichtungen zu schützen, ihr Überleben zu sichern. Dies auch, weil wir ihren Wert für unser Miteinander erkannt haben. Die kostenfreie Testung war wesentlicher Bestandteil von Öffnungsszenarien und sicherem Kulturerleben. Das Ende der Kostenfreiheit unterläuft diese Bemühungen massiv, gefährdet uns alle und verhindert Teilhabe, wo sie zu ermöglichen ist.« (Redaktion)