Stichwort: Klimaschutz in Kommunen

Erfolgreicher Klimaschutz ist ohne die Städte und Gemeinden nicht machbar. In den Kommunen fallen erhebliche Anteile der Treibhausgas-Emissionen an, in den Kommunen werden aber auch wichtige Weichen gestellt – bei Infrastruktur, öffentlichen Unternehmen, durch engagierte Bürgerinnen und Bürger. Wir haben einige Informationen dazu zusammengetragen.

Die wichtige Rolle der Kommunen beim Klimaschutz lässt sich mit ein paar Zahlen illustrieren: Die Städte und Gemeinden bringen rund 30 Prozent aller öffentlichen Investitionen, bei staatlichen Baumaßnahmen sind es sogar fast zwei Drittel. Ebenfalls auf zwei Drittel lässt sich der kommunale Anteil am öffentlichen Energieverbrauch schätzen, direkt und indirekt, also auch über Unternehmen und Beteiligungen, können den Städten und Gemeinden etwa 38 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen zugerechnet werden. Das Einsparpotenzial der Kommunen wird laut KfW Bankengruppe auf rund ein Drittel dieses Verbrauchs geschätzt. Vieles, wo Klimaschutzmaßnahmen direkt umgesetzt werden können, liegt in kommunaler Verantwortung, gleiches gilt für planerische Fragen oder Beratungsangebote. Städte und Gemeinden kennen die Handlungsbedarfe und möglichen Alternativen am besten. Und auch die im Klimaschutz aktive Zivilgesellschaft ist vorrangig »vor Ort« engagiert.

2021 haben die Gemeinden, Städte und Kreise in der Bundesrepublik insgesamt rund 2,9 Milliarden Euro für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen und etwa 1 Milliarde Euro für Klimaanpassung ausgegeben. Das geht aus einer Hochrechnung im Rahmen des KfW-Kommunalpanels 2023 hervor. Damit entfielen rund 15 Prozent aller kommunalen Investitionen 2021 auf Klimaschutz und Klimaanpassung. Das Deutsche Institut für Urbanistik hat in einer Studie begleitend den Informations­stand zu den kommunalen Maßnahmen in den Bereichen Klimaschutz und Klimaanpassung analysiert. 22 Prozent der Kommunen haben in den vergangenen drei Jahren explizit keine Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel umgesetzt. In ihrer mittelfristigen Finanzplanung planen die Kommunen für die kommenden Jahre mit durchschnittlich rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr; hinzu kommen jeweils rund 1 Milliarde Euro für Klimaanpassung also Maßnahmen zum Schutz gegen Hochwasser. 

Laut der KfW deutet sich allerdings schon an, »dass dieses Investitions­wachstum nicht reichen wird, um die Klimaziele zu erreichen«. Über die Hälfte der kommunalen Kämmereien gehe zudem davon aus, »dass der bestehende Finanzierungs­mix nicht geeignet sein wird, die höheren Investitions­bedarfe zu decken«. Laut einer Berechnung von KfW Research sind gesamtwirtschaftliche Investitionen in Höhe von rund 5 Billionen Euro erforderlich, um in Deutschland Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, 500 Milliarden Euro davon durch die öffentliche Hand. Grob geschätzt dürften davon wiederum etwa 30 Prozent, also 150 Milliarden Euro, auf die Kommunen entfallen. Heruntergebrochen auf einzelne Jahre hieße das, Kommunen müssten durchschnittlich rund 5,8 Milliarden Euro pro Jahr in Klimaschutzmaßnahmen investieren. 

»Die Mehrheit der Kommunen sieht die Notwendigkeit steigender Investitionen in Klimaschutz- und -anpassung – aber es stellen sich auch Fragen hinsichtlich der Finanzierung. Da die verfügbaren Eigenmittel der Kommunen nicht beliebig erhöht werden können, müssen für höhere Investitionen entweder Investitionszuschüsse und Fördermittel von Bund und Ländern steigen oder eine verstärkte Finanzierung über Kredite erfolgen«, heißt es bei der KfW. Einer höheren Verschuldung seien aber enge wirtschaftliche und haushaltsrechtliche Grenzen gesetzt. Hinzu komme, so die KfW, dass der Personal- und Fachkräftemangel »sich zunehmend als zentraler Engpass für die Bewältigung der transformativen Aufgaben« darstelle. Dies zu beheben, erfordert wiederum weitere Finanzmittel.

Im Januar 2023 hat das Klimabündnis, ein Zusammenschluss von Kommunen, gemeinsam mit Gewerkschaften und Umweltverbänden die Bundesregierung sowie die Bundesländer aufgefordert, Kommunen zu kommunalen Klimaschutz- und Klimaanpassungsaufgaben zu verpflichten und diese auch zu finanzieren. Klimaschutz und Klimaanpassung müssten dazu als Pflichtaufgaben im Grundgesetz verankert werden. Untersetzt wird die Forderung mit einem Rechtsgutachten von Roda Verheyen. Per Verfassung und Bundes-Klimaschutzgesetz seien Kommunen »bereits heute verpflichtet, ihren Beitrag zum Erreichen der Treibhausgasneutralität bis 2045 zu leisten. Bisher können viele Kommunen dieser Aufgabe aufgrund mangelnder finanzieller und personeller Ressourcen aber nicht ausreichend nachkommen«, so die Rechtsanwältin. Als Lösung wird vorgeschlagen, »im Grundgesetz einen Artikel 91a Abs. 1 Nr. 3 zu schaffen. Dadurch entstünde ein Kooperationsgebot zwischen Bund und Ländern und eine Mischfinanzierung der Aufgaben wäre rechtlich zulässig.«

Bereits im Dezember 2022 hatte ein Forschungsteam unter Leitung des Öko-Instituts im Projekt »Wirkungspotenzial kommunaler Maßnahmen für den nationalen Klimaschutz« sechs strategische Forderungen an Bund und Länder erarbeitet. Eine davon: Damit Kommunen den Klimaschutz über entsprechende Strukturen und Personal dauerhaft in ihrer Verwaltung verankern können, müssten Länder und Bund Finanzmittel dafür zur Verfügung stellen. Ein wichtiges Signal sei wäre es deshalb, so schnell wie möglich eine dauerhafte Grundfinanzierung für den kommunalen Klimaschutz zu schaffen. Die fünf weiteren Empfehlungen sind die Erhöhung der Verbindlichkeit im kommunalen Klimaschutz, die Einführung der Klimaschutz-Berichterstattung für Kommunen, die Weiterentwicklung von Förderungen, der flächendeckende Aufbau von Unterstützungsstrukturen und die Integration von kommunalen Unternehmen in die Klimaschutzstrategie.

»Klimaschutz gilt bisher nicht als Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge«, heißt es in einer vom Umweltbundesamt herausgegebene Studie vom Februar 2022. »Förderprogramme wie jene der Nationalen Klimaschutzinitiative wirken ausgleichend und unterstützend. Mit dem Förderangebot der Kommunalrichtlinie wurden bereits viele Kommunen erreicht, Klimaschutzstrategien wurden entwickelt und in Gemeinderäten verabschiedet, Investitionen in klimaschützende Technologien wurden getätigt, Klimaschutzmanager*innen wurden mit der Umsetzung von Maßnahmen betraut. Jedoch wirken diese Förderprogramme räumlich und zeitlich begrenzt: nicht alle Kommunen in Deutschland wurden davon überzeugt, im Klimaschutz aktiv zu werden und zu oft wird durch die zeitlich befristete Förderung Klimaschutz nicht nachhaltig in Verwaltungsprozessen verankert.« Die Studie identifiziert vier Einflussbereiche des kommunalen Klimaschutz mit jeweiligen Beispielen. 

Im April 2023 hat die Agentur für kommunalen Klimaschutz ihre Arbeit aufgenommen. Sie folgt dem Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz nach, das seit 2009 Kommunen im Klimaschutz durch Förderberatung und unterschiedliche Informations- und Vernetzungsangebote unterstützt hat. Die Agentur soll als bundesweite Ansprechpartnerin in allen Fragen des kommunalen Klimaschutzes und als Lotsenstelle des Bundes für die Energie- und Klimaschutzberatung von Kommunen wirken. Die Agentur ist im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz tätig, ist weiterhin am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) angesiedelt und wird bis 2028 mit rund 21 Millionen Euro aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative finanziert.

Wie Klimaschutz in Kommunen umgesetzt wird? Das ist von Ort zu Ort ganz unterschiedlich. Einen Überblick über unterschiedliche Strategien, Erfahrungen und Maßnahmen, Handlungsmöglichkeiten im kommunalen Klimaschutz und praktische Anregungen für die Umsetzung fasst der Praxisleitfaden »Klimaschutz in Kommunen« zusammen, der inzwischen in 4. Auflage aktualisiert vorliegt. » Der Leitfaden richtet sich an Einsteiger*innen wie Fortgeschrittene. In drei aufeinander aufbauenden Teilen wird umfassendes Know-how vermittelt und es werden gängige Instrumente und Methoden für die Klimaschutzarbeit vorgestellt.« 

Beispiele für kommunalen Klimaschutz gibt es auch beim Klima-Bündnis, in dem fast 2.000 Mitgliedskommunen in mehr als 25 europäischen Staaten, Bundesländer, Provinzen, NGOs und andere Organisationen zusammenarbeiten. Es handelt sich um das größte europäische Städtenetzwerk, das sich dem Klimaschutz verschrieben hat. Die Mitgliederkommunen, von der kleinen ländlichen Gemeinde bis hin zu Millionenstädten, verstehen den Klimawandel als eine globale Herausforderung, die lokale Lösungen erfordert.

»Um die vollen Potenziale der Kommunen im Klimaschutz zu heben, bedarf es einer Verbesserung der Rahmenbedingungen und es müssen Wege gefunden werden alle Kommunen für den Klimaschutz zu aktivieren«, heißt es auf der Themenseite zum Kommunalen Klimaschutz beim Umweltbundesamt. Doch Klimaschutzmaßnahmen haben neben den treibhausgasmindernden Wirkungen auch viele andere Vorteile, etwa Unabhängigkeit von fossilen Importen und Preisschwankungen, Kostensenkungen durch Maßnahmen der Energieeffizienz, Verbesserung der Lebensqualität und der Gesundheit oder die Verringerung von Ungleichheit. Über die Themenseite finden sich unter anderem Pilotprojekte zu Umweltgerechtigkeit in deutschen Kommunen, Hinweise zu wissenschaftlichen Studien und Handreichungen für kommunalen Klimaschutz. Zahlreiche Beispiele und Veröffentlichungen zum Thema finden sich ebenfalls auf der Themenseite der Umwelthilfe.

Ein zentraler Bereich beim Klimaschutz ist der Verkehr. Und Kommunen sind in einer Schlüsselposition, um die Mobilitätswende voranzubringen – etwa durch die Einrichtung von Fahrradstreifen, verkehrsberuhigter Zonen oder von Parkraumbewirtschaftung. In einer Studie vom Juli 2021 für die Stiftung Klimaneutralität und Agora Verkehrswende wird deshalb ausgelotet, wie mit einem schnell umzusetzenden Sofortprogramm das Straßenverkehrsrecht so geändert werden kann, dass die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen zur Umsetzung der Mobilitätswende gestärkt werden. Gestützt auf ein Rechtsgutachten werden Vorschläge unterbreitet, etwa die Aufnahme des Klima- und Umweltschutz in den Regelungszwecks des Straßenverkehrsrechts oder Neugestaltung des § 45 StVO, der für die Handlungsfähigkeit der Kommunen zentrale Paragraph, in dem es unter anderem um die Ausweisung von Tempo 30 geht.

Diese Forderung erheben auch inzwischen über 700 Kommunen des Bündnisses »Lebenswerte Städte und Gemeinden« – nicht nur, aber auch aus klimapolitischen Gründen. Über das gesamte Land verteilt und über alle Parteigrenzen hinweg engagieren sich hierin Kommunen und Landkreise mit über 30 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern dafür, beim Thema stadtverträgliche Geschwindigkeiten das Heft selbst in die Hand nehmen zu dürfen. Derzeit legt der Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung – ein Bundesgesetz – fest, dass Tempo 30 nur bei konkreten Gefährdungen bzw. vor sozialen Einrichtungen wie beispielsweise Kitas und Schulen angeordnet werden kann. Der Bundesgesetzgeber soll hier reformieren; bisher blockiert das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium aber. (aus Susannes Büros)