Ein intensiver Einblick in die Arbeit des Bundestages

Eliza macht derzeit ein Praktikum im Wahlkreisbüro von Susanne in Weimar. Hier schreibt sie auf, was sie bei einem Besuch im Bundestag erlebt hat.

Bei meinem Besuch im Bundestag hatte ich spontan die Möglichkeit an einem Gespräch teilzunehmen, bei dem die Botschaft der Ukraine, Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses, des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und eben auch der Rechtsausschuss, dem Susanne angehört, miteinander diskutierten.

Neben den demokratischen Abgeordneten waren Gäste, wie der Botschafter der Ukraine anwesend oder per video call zugeschaltet, wie Andrii Smyrnov (Deputy Head of the Office of the President of Ukraine), Anton Korynevych, (Ambassador-at-Large, Ministry of Foreign Affairs of Ukraine) und Mariia Mezentzeva (Member of Parliament of Ukraine, Chair of the Ukrainian Delegation to the Parliamentary Assembly of the Council of Europe). 

Grund für die Unterredung war, dass die ukrainischen Delegierten sich über die aktuellen Entwicklungen bei der Frage nach der Einrichtung eines Sondertribunals für das „Verbrechen der russischen Aggression gegen die Ukraine“ und über eine mögliche deutsche Unterstützung dieses Vorhabens austauschen wollten.

Von Anfang an wurde deutlich, dass sich alle Anwesenden darüber einig sind, dass Russland für das Verbrechen der Aggression zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Wie und ob das überhaupt möglich ist, steht allerdings noch zur Debatte. Verschiedene Modelle stehen im Raum. Die Bundesregierung hat sich bereits für das sogenannte hybride Modell öffentlich ausgesprochen. Das hybride Modell oder Tribunal würden auf ukrainischem Recht beruhen und internationale Richter würden dem Tribunal weitere Legitimation geben. 

Die ukrainischen Delegierten machten deutlich, dass sie dieses hybride Modell nicht präferieren, da dieses zum einen gar nicht umsetzbar wäre in der Ukraine, weil dafür eine Verfassungsänderung notwendig wäre, die derzeit nicht möglich ist. Des Weiteren sind sie der Überzeugung, dass eine Anklage der direkten Opfer gegenüber den Tätern wenig bis keine internationale Legitimation hat. Smyrnov ist der Ansicht, dass wir keine Entscheidung im Namen der Ukraine brauchen, sondern im Namen der zivilisierten Welt. Diese Ansicht hat Zuspruch und Gehör bei den deutschen Abgeordneten gefunden. 

Der Tenor geht zur Bevorzugung einer anderen Möglichkeit. Zur Debatte stehen auch, dass die UNO-Generalversammlung einem Sonderstrafgericht zustimmen könnte (wobei dafür kaum die nötigen Mehrheiten zu existieren scheinen) oder eine Strafverfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof. Wobei es zwar so ist, dass der Internationale Strafgerichtshof mittlerweile über „das Verbrechen der Aggression“ richten kann, da aber weder die Ukraine noch Russland das Römische Statut unterzeichnet haben, auf welchem der Internationale Strafgerichtshof fußt, scheint dieser Weg zunächst keine Option zu sein, zumindest nicht ohne Änderung des römischen Statuts. 

Klar wird, alle Optionen sind sehr schwer umsetzbar, mit weit reichenden Folgen für die Zukunft und vor allem die zukünftige internationale Rechtsprechung. Allen Beteiligten ist bewusst, dass es sich um eine hochkomplexe Angelegenheit handelt, die alles andere als einfach ist. Auch Susanne macht noch einmal die Wichtigkeit einer nötigen Sensibilität deutlich. 

Eine Aufgabe, die sich alle mitnehmen, ist nach einer geeigneten Lösung zu suchen und die Idee selbst weiterzutragen auch in Länder des globalen Südens. Denn ohne den globalen Süden geht es nicht. Klar soll werden, dass dieses Verbrechen keines ist, welches nur die Ukraine oder nur Europa betrifft, sondern die ganze Welt.

Einig waren sich die Abgeordneten und die ukrainischen Delegierten auch darin, dass es sich um eine sehr „dynamische“ Situation handelt. Zu diesem Zeitpunkt steht noch nicht fest, welcher Weg am Ende gegangen wird. Sicher ist, ein Modell ist nötig, welches umgesetzt werden kann, weswegen zunächst kein Weg „geschlossen“ werden sollte. Im Moment ist eine entsprechende Resolution des Bundestages das wichtigste, selbst wenn darin noch kein konkretes Modell ausformuliert wird.

Für mich selbst war dieses Treffen ein sehr intensiver Einblick in die Arbeit des Bundestages und vor allem in die Arbeit des Rechtsausschusses. Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe, deren sich die Menschen in diesem Raum widmen. Der Botschafter der Ukraine äußerte sich positiv über die große Solidarität und Sachlichkeit, die er bei diesem Gespräch und in vorherigen Gesprächen schon wahrgenommen hat. Das war auch mein Eindruck. (von Eliza)