Mehr für Gleichheit im Wahlrecht tun
Die LINKE setzt sich seit längerem für Reformen des Wahlrechts ein. Nun hat die Ampel-Koalition einen Entwurf vorgelegt, mit dem die Zahl der Bundestagsmandate künftig sicher auf die Regelgröße von 598 begrenzt werden kann. Der Vorschlag von SPD, Grünen und FDP sieht einen Verzicht auf die bisherige Zuteilung sogenannter Überhang- und Ausgleichsmandate vor.
Am 6. Februar ab 12 Uhr findet eine Anhörung von Sachverständigen zur geplanten Verkleinerung des Bundestages und zu linken Anträgen für Reformen des Wahlrechts statt. Mehr Informationen gibt es hier.
In ihrer Rede zu dem Gesetzentwurf hat es Susanne bei der ersten Beratung im Bundestag begrüßt, dass die Ampel nun einen Vorschlag unterbreitet, der unsere Wahlgrundsätze, Verfassungsmäßigkeit und Gerechtigkeit der Regelungen vereinen möchte.
Kritisch anzumerken seien vor allem zwei Dinge: Es hätte der Bedeutung des Themas insgesamt besser entsprochen, wenn die Ampel auf den noch ausstehenden Abschlussbericht der Wahlrechtskommission gewartet hätte, die derzeit darüber diskutiert, wie die für die Demokratie so wichtigen Regeln erneuert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden können.
Außerdem, darauf hat Susanne auch aufmerksam gemacht, spart die Ampel bei ihrem Gesetzentwurf zentrale Fragen aus, die in einer Wahlrechtsdebatte im Jahr 2023 unzweifelhaft auch auf die Tagesordnung gehören: eine angemessene Repräsentation von Frauen in der Politik, die Beteiligung von 16- und 17-Jährigen an wichtigen Entscheidungen und ein Ausländerwahlrecht.
Erstens: Millionen unserer Nachbarinnen und Nachbarn dürfen nicht wählen, weil es immer noch kein modernes Ausländerwahlrecht auf Bundesebene gibt. Es geht um Menschen, die seit Jahren hier leben, die Steuern zahlen, die aber von den wichtigen politischen Entscheidungen ausgeschlossen bleiben. Diese Menschen stellen übrigens einen erheblichen Teil der modernen Arbeiterschicht in diesem Land. Sie müssen endlich auf Bundesebene mitentscheiden dürfen. Deshalb fordert die LINKE die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, »der allen in Deutschland rechtmäßig lebenden Menschen mit mindestens fünfjährigem Aufenthalt unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit ein Wahlrecht auf Bundesebene gewährt«.
Zweitens: Auch die Repräsentation von Frauen in der Politik ist immer noch sehr gering, im Bundestag sitzen derzeit gerade einmal ein Drittel Frauen als Abgeordnete. Das ist nicht zu akzeptieren, weshalb die LINKE Regeln für echte politische Gleichheit anmahnt. Wir fordern die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Paragraf 17 des Gesetzes über die politischen Parteien dahingehend ändert, dass Frauen und Männer gleichermaßen bei der Aufstellung der Landeslisten berücksichtigt werden. Das ist für die Durchsetzung der gleichberechtigten demokratischen Teilhabe von Frauen und Männern und die Berücksichtigung weiblicher Perspektiven und Interessen sehr wichtig.
Drittens: Der Ausschluss von Jugendlichen von Bundestagswahlen ist ebenfalls nicht mehr zeitgemäß. Auf Landesebene und kommunaler Ebene gibt es schon seit längerem für 16- und 17-Jährige die Möglichkeit, zu wählen. Die LINKE will ihnen endlich auch auf Bundesebene ein größeres Mitspracherecht einräumen. Mit einer solchen Regelung würden wir endlich ein bisschen mehr »Sundays for Future« auch auf Bundesebene wagen – damit Menschen an Bundestags-Wahlsonntagen über die Zukunft mitbestimmen können, über ihre Zukunft.
Was den Gesetzentwurf der Ampel angeht, so soll es wie bisher 299 Wahlkreise und zwei Stimmen geben. Dabei wird mit der als »Hauptstimme« bezeichneten bisherigen Zweitstimme, mit der die Wähler für eine Parteiliste votieren können, über die proportionale Verteilung der Mandate an die Parteien entschieden. Mit der nunmehr »Wahlkreisstimme« genannten bisherigen Erststimme können wie bisher in den Wahlkreisen Direktkandidaten gewählt werden. Ihnen wird ein Mandat laut Vorlage jedoch nur zugeteilt, wenn dies durch das Hauptstimmenergebnis gedeckt ist.
Damit wird der Verhältniswahl-Charakter des Wahlrechts weiterentwickelt. Auch wenn es unter Umständen infolge der Ampel-Reform sein kann, dass in einigen Wahlkreise kein direkt gewählter Abgeordneter zum Zug kommt, würde es relativ gesehen eine stärkere Vertretung von Wahlkreisen gegenüber Parteilisten geben.
Heute liegt der Anteil direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag bei 41 Prozent (299 von 736); nach dem Ampel-Vorschlag wären es – das Ergebnis von 2021 als Maßstab genommen – 48 Prozent (288 von 598). »Wichtig ist, dass die Ampel auch einen Weg gefunden hat, dass parteiunabhängige Kandidierende ebenfalls im Wahlkreis antreten können«, so kommentiert die linke Wahlrechtsexpertin Halina Wawzyniak den Entwurf in ihrem Blog.
Auch die Union hat einen Antrag zur Reform des Wahlrechts vorgelegt. Dazu sind vor allem zwei Dinge zu sagen: Es war bisher die Union, vor allem die CSU, die eine Reform des Wahlrechts und damit das Ziel, die Zahl der Bundestagsabgeordneten auf die Regelgröße von 598 zu begrenzen, torpediert hat. Damit hat sie sich gegen die übergroße Mehrheit der Wählerinnen und Wähler gestellt, die sich in Umfragen für eine solche Begrenzung ausspricht.
Nun kommen CDU und CSU mit einem Vorschlag, der zu ihrer fortbestehenden einseitigen Bevorzugung führen würde und der darauf gerichtet ist, per Änderung der Grundmandatsklausel eine politische Mitbewerberin auszubooten. In der Bevölkerung wird das abgelehnt: eine große Mehrheit möchte, dass »keine Partei durch das Wahlrecht bzw. das Wahlsystem einen Vorteil gegenüber anderen Parteien hat«, wie diese Studie hier zeigt. (aus Susannes Büros)