»Das Prinzip Housing First ist der erfolgreiche Weg«

Laut offiziellen Angaben sind in der Bundesrepublik über eine Viertelmillion Menschen wohnungs- oder obdachlos. Die LINKE fordert deshalb im Bundestag einen Masterplan zur Beendigung der Wohnungslosigkeit bis 2030. Im Zentrum: das Prinzip Housing First. In Berlin hat man damit gute Erfahrungen gemacht.

Tragende Säulen, so der Antrag der LINKEN, sollen dabei der Housing-First-Ansatz, der in bestehende und noch aufzubauende kommunale Hilfestrukturen eingegliedert wird, sowie die Beschaffung des dafür notwendigen Wohnraums sein.

»Ohne festen Wohnsitz wird es deutlich schwerer, das Arbeitsverhältnis zu halten oder ein neues zu finden, die Beantragung von Sozialleistungen wird schwieriger und der Gesundheitszustand verschlechtert sich häufig«, heißt es in der Begründung des Antrags. Deshalb soll nach unserer Auffassung ein eigenes, mietvertraglich abgesichertes Wohnverhältnis der Ausgangspunkt und nicht mehr Fernziel der Wohnungslosenhilfe sein.

Unterstützung kommt unter anderem von der Diakonie. Auch dort verweist man auf die steigenden Mieten. »Wohnungslose Menschen haben auf diesem hart umkämpften Markt praktisch keine Chance«, so die Diakonie-Vorständin für Sozialpolitik, Maria Loheide. Man unterstütze den Vorstoß für eine bundesweite Förderung von Housing First. Dies sei »ein sinnvoller und in vielen Bundesländern erfolgreich erprobter Ansatz innerhalb des Hilfesystems.« 

Unter anderem in Berlin gibt es bereits Housing-First-Projekte. Dort konnten in einer Modellphase 95 Wohnungen vermittelt werden; inzwischen wurden die Housing-First-Projekte verstetigt. »Das Prinzip Housing First ist der erfolgreiche Weg, damit obdachlose Menschen eine Wohnung bekommen«, so die linke Sozialsenatorin Katja Kipping. Der Doppelhaushalt des Landes für die Jahre 2022 und 2023 sieht nun insgesamt 6,1 Millionen Euro für Housing First vor. 

Kipping sprach auch bei der ersten Beratung des Antrags der LINKEN im Bundestag. »Diese Idee ist so einfach wie überzeugend«, sagte sie. »Berlin tut also, was auf Landesebene möglich ist. Damit Housing First aber flächendeckend zum Leitmotiv wird, ist der Bund gefragt.« Und: »In Anlehnung an den berühmten Spruch von Bertolt Brecht vom Einfachen, das so schwer zu machen ist: Housing First ist die einfache Logik, deren Umsetzung unser aller Pflicht ist.«

Im »Tagesspiegel« kommentierte Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff den Vorstoß der LINKEN im Bundestag mit den Worten: »Wohnungslosigkeit ist ein soziales Problem, das nicht nur einen Aspekt hat. Wohnung bedeutet festen Wohnsitz, bedeutet die Chance auf einen Job, ein Konto, Papiere – kurz: bedeutet einen wichtigen Anfang. Das ist schon mal ein Ansatz. Aber die Bundesregierung wird sich noch mehr einfallen lassen müssen.«

So sieht es auch die Diakonie. Die Bundesregierung müsse weitere Maßnahmen vorantreiben, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden. »Wenn wir eine flächendeckende Versorgung mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum erreichen möchten, brauchen wir eine neue, an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichtete Wohnungspolitik«, so Loheide. Deshalb sollten der soziale Wohnungsbau gestärkt, das Mietrecht reformiert und gute Rahmenbedingungen für eine gemeinwohlorientierte und gemeinnützige Wohnungswirtschaft geschaffen werden.

Housing First ist ein 1999 entwickelter sozialpolitischer Ansatz aus den USA. Finnland implementiert dieses Konzept schon seit fast fünfzehn Jahren. Finnland ist das einzige europäische Land, in dem die Obdachlosigkeit abnimmt.

Finnland ist bereits seit den 1980er Jahren darum bemüht, als die Zahl der Wohnungslosen noch bei rund 10.000 lag, und implementierte das Konzept des Housing First 2017. In dem Staat mit fünf Millionen Einwohner:innen sind heute nur rund 4000 ohne festen Wohnsitz, nur noch rund 650 leben gänzlich obdachlos. Vier von Fünf vormals wohnungslose Menschen haben den Ausstieg aus der Wohnungslosigkeit dauerhaft bewältigt.

(von Susannes Team)