Stichwort: Hass gegen kommunal Engagierte – und wo es Hilfe gibt

Wer in der lokalen Demokratie eine repräsentative Rolle übernimmt, wird oft mit Anfeindungen konfrontiert, heißt es in einer Studie über Gewalt, Hass und Hetze gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Wir haben hier eine Reihe von Informationen über das Ausmaß der Anfeindungen, Gewalt und Drohungen gegen kommunalpolitisch engagierte Menschen zusammengetragen.

Immer wieder zeigen Untersuchungen ein alarmierendes Bild, wie häufig Bürgermeisterinnen und Landräte, kommunal Engagierte und Mitarbeiterinnen in Gemeinden Bedrohungen ausgesetzt sind. Wir haben Studien zusammengestellt, in denen sich Hinweise über den Umgang mit Attacken sowie Vorschläge finden, wie mit politischen und institutionellen Maßnahmen mehr zum Schutz der kommunal Engagierten und Beschäftigten in den Gemeinden beigetragen werden kann. Außerdem stellen wir Projekte und Plattformen vor, die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker mit Hilfe und Beratung zur Seite stehen. 

Zahlen und Fakten 

Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft hat im Sommer 2022 die erste Befragung in Thüringen zu den Erfahrungen mit Anfeindungen und Angriffen in der Kommunalpolitik durchgeführt. Dabei wurden explizit auch Beschäftigte in den Kommunalverwaltungen in die Befragung mit einbezogen. Der vorliegende Beitrag stellt erste Ergebnisse der Befragung vor. Sie zeigen: Vor allem verbale und schriftliche Beleidigungen und Bedrohungen gehören für viele Amtsträ- ger*innen und Verwaltungsangestellte zum Arbeitsalltag. Seit Beginn der Corona-Pandemie wird zudem eine Zunahme an Anfeindungen beobachtet. Viele Befragte wünschen sich folglich u. a. eine effektivere Strafverfolgung und bessere Beratungsangebote. 

Die zunehmenden Beleidigungen und Aufrufe zur Gewalt gegen kommunalpolitisch engagierte Menschen nimmt eine Zusammenstellung der Heinrich-Böll-Stiftung in den Blick. Dokumentiert ist dort, wie ab 2015 im Zuge der Aufnahme von Geflüchteten und kommunaler Anstrengungen zu ihrer Aufnahme und Integration eine erste Welle von Hassangriffen auf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitik losbrach. Im Jahr 2017 habe jedoch die öffentliche Wahrnehmung dieses Themas zunächst nachgelassen. Seit Mitte 2018 hätten dann neue Fälle und systematische Erhebungen zu einer erneuten öffentlichen Aufmerksamkeit geführt. »Die Meldungen über Bedrohungen und Angriffe gegen kommunalpolitisch Aktive nehmen seit Anfang 2021 deutlich ab, jedoch nicht weil es weniger Angriffe gibt, sondern weil ein gewisser Gewöhnungseffekt einsetzt und die Medien nicht mehr über jeden Einzelfall informieren«, so die Stiftung. 

Im Herbst 2022 wurden die ersten Ergebnisse des »Kommunalen Monitorings zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern« publik. Demnach gaben 46 Prozent der 1.495 Befragten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte an, im letzten halben Jahr Anfeindungen gegen die eigene Person oder gegen Angehörige erlebt zu haben – oft wiederholt, im Durchschnitt ein- bis zweimal monatlich. Überwiegend handelte es sich um Beleidigungen, üble Nachrede, Verleumdung und Bedrohung sowie Nötigung; ein Viertel davon im Internet. Im Vordergrund standen laut der Studie Angriffe aufgrund der Rolle als öffentliche Person, gefolgt von Auseinandersetzungen über kommunal- oder allgemeinpolitische Themen. Das Monitoring des Bundeskriminalamtes in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden wird fortgesetzt.

Laut der 2022 veröffentlichten Studie »Vielfältige Repräsentation unter Druck: Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik« haben rund 60 Prozent der mehr als 2.100 befragten Ratsmitglieder, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie politischen Wahlbeamten deutscher Großstädte schon Anfeindungen und Aggressionen erlebt. Die Studie »analysiert systematisch und empirisch fundiert die Erfahrung, Wahrnehmung und den Umgang mit Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Übergriffen in der großstädtischen Kommunalpolitik und bietet damit eine Grundlage für die Diskussion, wie sehr die kommunalpolitisch Engagierten herausgefordert sind und wie sie in ihrer Widerstandsfähigkeit (Resilienz) und ihrer repräsentativen Rolle gestärkt werden können 

Einer Studie der Körber-Stiftung vom Mai 2022 zufolge halten Ratsmitglieder »eine Verbesserung der Diskussionskultur in den Kommunen für dringend geboten«. Der seit Jahren immer rauer werdende Ton, zunehmende verbale Angriffe und Beleidigungen würden die Entscheidungskraft und Motivation der meist ehrenamtlichen Räte schwächen, heißt es in einer Mitteilung. »Zudem beeinflussen die verstärkte Fraktionierung sowie konfliktsuchende Einzelpersonen die Diskussionskultur negativ. Eine spürbare Verschlechterung und Polarisierung ordnen die Befragten auch dem Einzug populistischer Parteien in die kommunalen Räte zu. Vor allem Frauen sind von sexistischen Grenzüberschreitungen betroffen und empfinden die Diskussionskultur in der Kommunalpolitik als dominant männlich.« 

Für Brandenburg hat die Studie »Präventive Strategien zum Schutz von kommunalen Amts- und Mandatspersonen vor Einschüchterung, Hetze und Gewalt« alle mehr als 7.000 kommunalen Amts- und Mandatspersonen in dem Bundesland angeschrieben – über 1.500 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker haben geantwortet. Ein Ergebnis: »Deutlich mehr als jede dritte antwortende Amts- oder Mandatsperson berichtet für den abgefragten Zeitraum von 2014 bis Mitte 2021, dass sie selbst mindestens einen Angriff gegen sich selbst erlebt hat.«  Im Hinblick auf die Häufigkeit von Angriffen sei »ein starker Stadt-Land-Effekt bemerkbar: In den Großstädten über 20.000 Einwohnern finden sich mehr als dreimal so viel Angriffe wie in Brandenburger Dörfern mit einer geringen Anonymität«, so die Studie. 

Das Bundeskriminalamt hat im Januar 2022 eine Taskforce eingerichtet, die gezielt personengerichtete Aufrufe zu Tötungsdelikten und anderen schweren Straftaten auf dem Messengerdienst Telegram feststellt und deren Urheber identifiziert. Dazu gibt es eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Diese gezielt personengerichtete Aufrufe zu Gewalt richteten sich unter anderem insbesondere gegen politische Amts- und Mandatsträger, so das BKA. Die Taskforce solle solche Straftaten in enger Abstimmung mit den Polizeien der Bundesländer und der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main im Rahmen einer gemeinsamen Schwerpunktsetzung aufklären. 

Laut einer Befragung von über 1.600 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im April 2021 ist die Zahl der Attacken auf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in der Corona-Pandemie weiter gestiegen. In dieser Umfrage erklärten 72 Prozent der Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber, bereits beleidigt, beschimpft, bedroht oder sogar tätlich angegriffen worden zu sein. Bei einer ähnlichen Umfrage im Jahr 2020 waren es noch 64 Prozent. Mehr als ein Drittel der Befragten sprach von einer Zunahme der Übergriffe und Beleidigungen aufgrund der Corona-Pandemie. Vor allem in kleineren Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern habe die Zahl der Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen und auch der körperlichen Angriffe deutlich zugenommen. Solche Attacken richteten sich vermehrt auch gegenüber Gemeindevertretern oder Mitarbeitern, diese seien zum Teil körperlich angegriffen, bespuckt oder geschlagen worden.

Die Studie »Beleidigt und bedroht. Arbeitsbedingungen und Gewalterfahrungen von Ratsmitgliedern in Deutschland«, die 2021 erschienen ist, zeigt, dass 42 Prozent der befragten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger auf der kommunalen Ebene Erfahrungen mit Beleidigungen und Bedrohungen gemacht haben. Für die Studie waren 288 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker kontaktiert worden, mit einem Teil wurden ausführliche telefonische Interviews geführt. Gefragt wird auch nach Ursachen zunehmender Gewalt, der persönliche Umgang mit Gewalterfahrungen wird zum Thema gemacht und nicht zuletzt Lösungsansätze diskutiert; sowohl auf individueller Ebene wie auch solche, für die institutionelle Lösungen nötig sind. »Es braucht aktive Unterstützung der ehrenamtlich Engagierten insbesondere durch Parteiorganisationen und Landesinstitutionen«, heißt es in der Studie unter anderem. 

57 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben im Rahmen einer Umfrage im Jahr 2021 angegeben, dass sie Beleidigungen, Bedrohungen oder sogar tätlichen Angriffen ausgesetzt sind. Im Auftrag der Körber-Stiftung hatte Forsa insgesamt 1.641 Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber im gesamten Bundesgebiet befragt. Ein Schwerpunkt der Studie lag zudem darauf, zu ermitteln, wie die Betroffenen mit den Anfeindungen umgehen. »Ein Fünftel der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister (19 Prozent) hat aus Sorge um die eigene Sicherheit oder die der Familie schon über einen Rückzug aus der Politik nachgedacht, ein Drittel (30 Prozent) äußert sich zu bestimmten politischen Themen seltener als früher.« Außerdem wurde danach gefragt, ob das Thema »Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker« in den Medien ausreichend berücksichtigt wird, ob die Bundes- und Landespolitik genug für den Schutz tut und welches aus Sicht der Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber geeignete Maßnahmen zur Eindämmung des Problems sind.

Hilfe und Beratung

Im Bundesprojekt »Kommunale Allianzen und Strategien gegen Rassismus und Hass – gemeinsam Entscheidungsträger/innen stärken« werden von 2023 bis 2025 zehn ausgewählte Modellkommunen darin begleitet, Unterstützungsangebote bei Hass und Anfeindungen gegen lokale Entscheidungsträger/innen zu entwickeln. Dazu zählen z.B. der Aufbau lokaler Allianzen zwischen Beratungsstellen, Sicherheitsbehörden und Verwaltung, die Entwicklung antirassistischer Strategiekonzepte oder Schulungsangebote für kommunale Akteure. Das Projekt wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge, Integration und Antirassismus gefördert und vom Beratungshaus IMAP durchgeführt. Kommunen können sich noch bis zum 28. Februar 2023 für das Projekt bewerben. Eigenmittel sind nicht erforderlich. 

Der Verein Starke Demokratie e.V. unterstützt »alle Menschen, die sich in unserer demokratischen Gesellschaft politisch aktiv beteiligen« und stellt umfassende Information, Möglichkeiten der Vernetzung und präventive Hilfe bei Bedrohungen zur Verfügung. Hier werden auf Bundes- und Landesebene bestehende Angebote aufgezeigt, Kontakte geschaffen und es gibt Informationen in unterschiedlichen Formaten, die der Verein selektiert und kategorisiert. Betroffene werden außerdem zur Rechtslage bei Beleidigungen, Drohungen und tätlicher Gewalt aufgeklärt.

Informationen und Hilfe für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, um mit Anfeindungen und Angriffen umzugehen, hat ein Projekt von Körber-Stiftung und Städtetag und Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund zusammengetragen. Man wolle anhand von Fallbeispielen zeigen, »wie Sie sich informieren und vorbereiten können – und welche Handlungsoptionen Sie in herausfordernden Situationen haben«. Es geht unter anderem auch um Prävention, darum, Mitarbeitende besser schützen oder sich auf kritische Gespräche vorzubereiten. Außerdem wird erläutert, welche Rechte Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker im Falle von Beleidigungen, Bedrohungen und Hetze sowie bei Hassnachrichten über Soziale Medien oder im Umgang mit Sachbeschädigungen haben.

Der Bundesverband Mobile Beratung und der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt haben im Jahr 2020 einen 45-seitigen Ratgeber für kommunalpolitisch Engagierte veröffentlicht. Die Veröffentlichung richte sich mit praktischen Handlungsmöglichkeiten sowohl an direkt Betroffene sowie deren Familie und Freundinnen und Freunde als auch an Vorgesetzte und Verantwortungsträge in Kommunen und demokratischen Parteien. Mit dem Ratgeber wolle man allen, die ehrenamtlich oder hauptamtlich in der Kommunalpolitik aktiv sind oder in Verwaltungen arbeiten, einen praktischen Wegweiser an die Hand geben. Nur, wenn die Betroffenen nicht alleine gelassen werden und effektive Unterstützung erfahren, erhält Kommunalpolitik als wichtiges Feld zivilgesellschaftlichen Engagements und demokratischen Zusammenhalts den notwendigen Schutz. 

»Was können kommunale Amts- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträger unternehmen, wenn man sie in sozialen Netzwerken mit Hassbotschaften überzieht? Wer hilft ihnen bei Bedrohungen? Was schützt vor körperlichen Angriffen? Welche Sicherheitsvorkehrungen sind zu Hause sinnvoll, welche unterwegs? Wo gibt es Unterstützung, wer berät?« Antworten darauf hat das Nationale Zentrum für Kriminalprävention mit Unterstützung der kommunalen Spitzenverbände in einer Broschüre zusammengetragen, die auch zum Umgang mit Bedrohungen und Hass berät. Darin sind auch Kontaktinformationen zu zahlreichen Beratungsstellen in den Ländern und auf Bundesebene aufgeführt, darunter spezialisierte Unterstützung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags haben im Jahr 2020 einen Sachstand zu den möglichen Entschädigungen von politischen Amts- und Mandatsträgern nach politisch motivierter Sachbeschädigung veröffentlicht. Sachbeschädigungen bei Attacken sorgten »oftmals für Vermögensschäden bei den Betroffenen. Zwar entstehen in deren Folge regelmäßig zuvorderst zivilrechtliche Ausgleichsansprüche gegen den Täter. Hierfür muss dieser jedoch sowohl bekannt als auch in der finanziellen Lage sein, den Schaden zu begleichen. Unter Umständen kommt auch keine Versicherung für den Schaden auf. Der Sachstand trägt zusammen, ob der Bundestag beziehungsweise die Bundesländer entsprechende Angebote vorhalten.

Im Rahmen eines Gesetzespakets gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität werden seit 2020 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker besser vor Beleidigungen geschützt. Kommunale Verbände hatten sich zwar »weiterreichende Reformen gewünscht«, wie etwa der Städte- und Gemeindebund erklärte. »Neben dem Aspekt des Strafrechts ist vor allem der Ausbau der politischen Bildung in allen Altersklassen notwendig, damit auch über Zusammenhänge und Entscheidungsprozesse informiert und keine Vorurteile geschürt werden.« Mit der Reform des Paragrafen 188 StGB – Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung – werden nun auch ausdrücklich Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker einbezogen.

(aus Susannes Büros)