Ampel gegen Entschädigungsfonds für Berufungsführer

Die Bundesregierung plant nicht die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Berufungsführer. Das geht aus der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz, Benjamin Strasser, auf eine Schriftliche Frage von Susanne Hennig-Wellsow hervor.

Die Bundestagsabgeordnete hatte sich nach der Position der Ampel-Koalition zum Umgang mit früheren Fällen erkundigt, in denen Richterinnen und Richter Berufungen schriftlich ohne Anhörung von Klägerinnen und Klägern abgelehnt haben. Die inzwischen geänderte Regelung des Paragrafen 522 der Zivilprozessordnung sollte zum Aussortieren aussichtsloser Fälle dienen; »in der Praxis schmetterten die Gerichte aber bis zu 27 Prozent der Berufungsanträge ab, darunter auch Fälle mit Erfolgschancen«, wie die »Tageszeitung« 2014 meldete. Die Zurückweisungsbeschlüsse waren nach alter Regel unanfechtbar. 

Die Regel stieß auch in der Rechtswissenschaft und unter Praktikerinnen und Praktikern auf deutliche Kritik. Durch sie sind Klägerinnen und Klägern teils erhebliche Kosten entstanden, außerdem blieb oftmals das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein. Einer der von der damaligen Regelung Betroffenen, Horst Glanzer, wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Er hatte nach gesundheitlichen Problemen lange auf die Zusage der Kostenübernahme durch seine Krankenversicherung warten müssen und sieht sich dadurch gesundheitlich geschädigt, er wurde schließlich berufsunfähig. Klagen scheiterten, eine Berufung wurde nach der alten Regelung abgelehnt. Daraufhin engagierte sich Glanzer bei Politik und Justiz unter anderem für eine Änderung des Paragrafen 522 der Zivilprozessordnung. 

Mit Erfolg, wie auch die frühere FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger urteilt: »Ohne Herrn Glanzer hätte es die Änderungen nicht gegeben.« Seither sind Zurückweisungsbeschlüsse in gleicher Weise anfechtbar wie Berufungsurteile. Er habe »große Veränderungen initiiert, aber persönlich profitiert er überhaupt nicht davon«. Glanzer verweist auf die aufgrund der Auseinandersetzungen und in Folge seiner Erkrankung entstandenen Schulden. Die erreichte Gesetzesänderung gilt nicht rückwirkend. Und hier kommt die Möglichkeit eines Entschädigungsfonds für Berufungsführer mit ähnlichen Erfahrungen nach der alten Regel ins Spiel. 

Die Ampel-Regierung sieht dafür aber keinen Anlass. »Gerichtliche Entscheidungen können mit den gesetzlich zugelassenen Rechtsmitteln angegriffen werden. Gegen erstinstanzliche Urteile ist grundsätzlich das Rechtsmittel der Berufung (§ 511 der Zivilprozessordnung (ZPO) statthaft. Die in Rede stehende Vorschrift des § 522 Absatz 2 ZPO schließt nicht etwa das Rechtsmittel der Berufung aus, sondern erlaubt dem Berufungsgericht lediglich, unter bestimmten Voraussetzungen eine Berufung statt durch Urteil auch durch einstimmigen Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zurückzuweisen«, so die Antwort aus dem Bundesjustizministerium. »Das Berufungsgericht muss zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinweisen und dem Berufungsführer Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Die angesprochene Rechtsänderung im Jahr 2011, mit der die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss eröffnet wurde, hat hieran nichts geändert. Von Verfassung wegen besteht kein Anspruch auf mehr als eine Gerichtsinstanz. Vielmehr darf der Gesetzgeber Beschränkungen von Rechtsmitteln vornehmen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Ressourcen der Justiz begrenzt sind.« (aus Susannes Büros)