»Mut und Vernunft«. Und Machen.

Gegen Energiepreiskrise und für ökologischen Umbau: Linke aus den Landesregierungen melden sich mit Lösungsvorschlägen zu Wort – und zeigen, welche Wege man in Thüringen, Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern schon geht.

»Mut und Vernunft sowie ein klarer Kompass, der die Richtung zu sozialer Gerechtigkeit weist, sind Schlüssel zum Handeln«, heißt es in dem Papier, das die Unterschriften von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, von Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt, dem Berliner Kultursenator Klaus Lederer sowie der Nordost-Bildungsministerin Simone Oldenburg trägt. 

Angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins auf die Ukraine, der daraus resultierenden Energiekrise sowie weiterer Entwicklungen wie den Folgen der Pandemie seien »die Schwächen globalisierter Ökonomien, auch des deutschen Wirtschaftsmodells, offengelegt« worden. Den dadurch ausgelösten steigenden Energiepreisen, der Inflation und »der sich daraus in den mittleren und unteren Einkommensgruppen zuspitzenden sozialen Lage« müsse »Politik wirksam und zügig begegnen«.

Wie das gehen kann, erläutern die vier Linken aus den Landesregierungen vor allem mit Blick auf die Anforderungen einer sozialen Energiewende. »Die Bekämpfung der Energiearmut wird eine neue gesellschaftliche Herausforderung«, heißt es in dem Papier, in dem auf den Vorschlag eines »Sondervermögens für Energiesicherheit, Energiesouveränität und ökologische Transformation« aus dem April dieses Jahres verwiesen wird. 

»Die Aktualität dieser Forderung ist ungebrochen, die Umsetzung eines solchen Sondervermögens weiterhin so realistisch wie notwendig. Es geht erneut um Resilienz, also die Herausbildung und Stärkung derjenigen Kapazitäten, die nötig sind, um unsere Gesellschaft in die Lage zu versetzen, die gegenwärtigen Schocks und Belastungen als demokratischer und sozialer Rechtsstaat zu bewältigen. Abermals zeigt sich die Bedeutung der langfristigen Ausstattung und Erhaltung öffentlicher Infrastrukturen der Teilhabe, die allen zugänglich sind, keinen unmittelbaren Gewinn abwerfen, von denen aber in normalen und in Krisenzeiten erwartet wird, dass sie verlässlich funktionieren und in der Stadt und auf dem Land gleichwertige Lebensverhältnisse garantieren. Diese Form der Daseinsvorsorge wurde zu lange vernachlässigt und erst im Ergebnis der jüngeren Krisen wieder begonnen zu reaktivieren.«

Ramelow, Vogt, Oldenburg und Lederer lenken den Blick über die bisher von der Bundesregierung  aufgesetzten Maßnahmen hinaus. »Die tatsächliche Fähigkeit, die Krise zu bewältigen«, setze »grundsätzliche Entscheidungen über den Kurs voraus«, etwa was die Entscheidung zur abermaligen Aussetzung der Schuldenbremse angeht. Aber dies wäre ja nur Mittel zum Zweck: »Wenn wir in der Welt der Gegenwart mit ihren multiplen Krisen von Mut und Vernunft als einem Schlüssel zu verantwortungsvollem und solidarischem Handeln sprechen, heißt das aber auch und vor allem, endlich die Notwendigkeit zu erkennen, eine stabile Preispolitik am Energiemarkt mit der für unsere Erde überlebenswichtigen Dekarbonisierung von Wirtschaft, Industrie und Energiesektor zu koppeln. Nur so kann es uns gelingen, ganzheitliche Ansätze zu entwickeln, bei denen Energieversorgungssicherheit für alle Menschen und Klimaschutz keine einander ausschließenden Gegensätze mehr sein müssen.«

Hierzu wird ein ganzes »Maßnahmenbündel« vorgeschlagen, das auch von der Bereitschaft geprägt ist, ausgetretene Pfade zu verlassen. Jene Pfade nämlich, »die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erst zur kritischen Lage der Gegenwart geführt haben«. 

So schlagen die vier Linken aus den Landesregierungen unter anderem vor, sowohl den »Energiemarkt als auch die gesamte Energieinfrastruktur und -produktion entlang einer Trias aus Dezentralität, Regenerativität und Regionalität« neu zu ordnen und in Bürgerhand zu überführen. Außerdem geht es um »eine umfassende Wärmewende und Transformation der Produktion und Prozesswärme von Unternehmen. Überdies sind bezahlbare und vor allem flächendeckende Nahverkehrsangebote auch und gerade im ländlichen Raum nötig.« Beim Netzausbau müssten die Kosten »endlich auch bei den Verteilnetzen fair verteilt werden. Aufgrund der hohen Netzentgelte zahlen diejenigen die höchsten Strompreise, die Wind- und Solarparks direkt vor der Haustür haben.« Stattdessen sollten Kommunen im Umfeld von Windparks so beteiligt werden, »dass spürbar für die Gemeinschaft Vorteile erwachsen. Es soll deutlich werden, dass erneuerbare Energien einen Mehrwert über den Klimaschutz hinaus darstellen.« Mit drastischen Eingriffen in den Energiemarkt könne »die Marktförmigkeit und Profitorientierung der Energiekonzerne zugunsten einer solidarischen Verteilung der Lasten« durchbrochen werden. Mit Änderungen am Marktdesign sollten auch »endlich bei der Berechnung der Preise am Tagesmarkt die Herstellungskosten zum Maßstab genommen werden«. Darüber hinaus sollen, eine inzwischen schon lange Forderung der LINKEN, »die weder auf eigener Leistung noch auf Innovation beruhenden Extraprofite durch eine Übergewinnsteuer endlich« abgeschöpft werden. Damit könnten weitere Maßnahmen zur Hilfe vor allem für Haushalte mit geringen Einkommen finanziert werden; zu deren Schutz sollten Strom- und Gassperren schnellstmöglich »durch entsprechende Regelungen in der Stromgrundversorgungsverordnung bzw. der Gasgrundversorgungsverordnung sowie im Energiewirtschaftsgesetz« ausgesetzt werden. »Zudem braucht es ein Moratorium für Wohnungskündigungen.«

Viele der Forderungen sind in den vergangenen Monaten bereits von Linken erhoben worden. Vieles davon klappt nur, wenn der Bund handelt. Aber das heißt nicht, dass die vier rot-rot-grünen, rot-roten und rot-grün-roten Landesregierungen in Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen tatenlos abwarten. Im  Gegenteil. 

In dem Papier werden die wichtigsten Ländermaßnahmen zur sozial-gerechten Bewältigung der Energiekrise aufgeführt.

So hat Berlin etwa ein Entlastungspaket in Höhe von 800 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro geschnürt, um »passgenaue Entlastungen« für die Berlinerinnen und Berliner zu schaffen, »aber natürlich auch die öffentliche und soziale Infrastruktur zu schützen«. Mit einem Härtefallfonds zur Verhinderung von Energie- und Gassperren und einem Kündigungsmoratorium bei den Landeseigenen Wohnungsbauunternehmen hilft Berlin bei Zahlungsschwierigkeiten wegen zu hoher Betriebskosten. Und das sind nur einige Beispiele aus der Hauptstadt.

Am Beispiel von Bremen lässt sich zeigen, wie eine rot-grün-rote Koalition Diskussionen auf Bundesebene anstoßen kann: Mit der Initiative für eine Übergewinnsteuer im Bundesrat hat der Senat im Juni zur bundesweiten Debatte beigetragen, die schließlich zur versprochenen Begrenzung von »Zufallsgewinnen« im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung geführt hat. Auch bei der Forderung nach Einführung eines bundesweiten Gaspreisdeckels für private Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen, der nun diskutiert wird, war Bremen vorne mit dabei. »Aktuell bringt Bremen eine Bundesratsinitiative ein, die die Bundesregierung auffordert, kleine und mittelständische Unternehmen aus allen Branchen stärker zu entlasten und die Möglichkeiten des EU-Krisenrahmens für nationale Beihilfen endlich auszuschöpfen.«

Mecklenburg-Vorpommern stellt unter andeerem 30 Millionen Euro für einen Härtefallfonds bereit, »um in Not geratenen Menschen und Unternehmen in besonderen Härtefällen zu helfen. Das 365-Euro-Ticket für Auszubildende wurde verstetigt, für Seniorinnen und Senioren wird es ab 2023 eingeführt. Nun wollen wir es auf alle Fahrgäste, die den Nahverkehr innerhalb des Landes nutzen, ausweiten. Ab 2024 wird ein landesweites Rufbussystem dafür sorgen, dass kein Dorf mehr abgehängt ist. Wir werben für Mehrheiten für Bundesratsinitiativen zur fairen Kostenverteilung beim Ausbau der Verteilnetze, eines Schutzschirms für Stadtwerke und soziale Wohnungsunternehmen sowie der Stärkung des Mieterschutzes.«

In Thüringen wird Mitte Oktober der Landtag über die Neugestaltung des bisherigen Sondervermögens zur Überwindung der Corona-Krise zu einem Energie-Sondervermögen beraten. Unterstützung für die regionale Wirtschaft, erweiterte Fördermöglichkeiten für kommunale Unternehmen, beschleunigter Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und besondere Anstrengung zur Umstellung von Gas auf Strom aus erneuerbaren Energien in der energieintensiven Glasindustrie sind nur einige der Maßnahmen, mit denen im Freistaat politisch gegen die Energiepreiskrise gesteuert wird. (aus Susannes Büros)