»Es ist nicht die Aufgabe von Oma…«

Mit der Gasumlage lastet die Bundesregierung den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch noch die Rettung von Import-Unternehmen auf. Linke und Sozialverbände fordern die Rücknahme der Umlage, einen Deckel für Energiepreise und gezielte Entlastungen, die diesen Namen auch verdienen. Bezahlt werden könnten die aus den Einnahmen einer Übergewinnsteuer, zeigt eine neue Studie.

Seit Montag steht die so genannte Gasbeschaffungsumlage fest: 2,419 Cent pro Kilowattstunde. So viel müssen Verbraucherinnen und Verbraucher ab Oktober zusätzlich für ihre Gasrechnung zahlen – zu den ohnehin gestiegenen und weiter steigenden Preisen. Mit der Umlage sollen Konzerne unterstützt werden, »die wegen der gedrosselten Lieferungen aus Russland anderswo für viel Geld Gas einkaufen müssen, um ihre Verträge zu erfüllen«, wie es die Deutsche Presse-Agentur formuliert. Die Höhe der Umlage wird alle drei Monate neu berechnet.

90 Prozent der anfallenden Mehrkosten dieser Konzerne müssen nun die Verbraucherinnen und Verbraucher von Gas stemmen. Ein Kommentator auf Twitter: »Es ist einfach nicht die verdammte Aufgabe von Oma und allen anderen, die zufällig mit Gas heizen, einen Bailout für Konzerne zu wuppen die bis kürzlich über viele Jahre hohe Profite, ebenfalls auf ihrem Rücken, machten, daran wurden sie ja auch nicht beteiligt.« Als Bailout bezeichnet man Rettungsaktionen für Unternehmen.

Auf Verbraucherinnen und Verbraucher von Gas kommen mit der Umlage nun zusätzliche Kosten von bis zu mehreren hundert Euro zu – zu den ohnehin stark steigenden Gaspreisen. Auf Twitter wurde daran erinnert, »dass auf die meisten Gaskunden nach Auslaufen ihrer Preisgarantien in den nächsten Monaten Preissteigerungen von etwa 25 Cent/kWh zukommen«. Die kommen dann auch noch dazu.

Der Vorsitzende der LINKEN, Martin Schirdewan, sprach in der Tagesschau von einer »schallenden Ohrfeige« ins Gesicht vor allem der Haushalte mit geringeren Einkommen. Mit der Gasumlage werde »die Axt anlegt an den sozialen Zusammenhalt« gelegt, die Maßnahme der Ampel-Regierung sei der »völlig falsche Weg«, die »einseitige Belastung der Bevölkerung in der Energiekrise nicht akzeptabel«. 

Zuvor hatte sich auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch so geäußert: »Die Bundesregierung sollte die Gasumlage zurücknehmen und notleidende Versorger gegebenenfalls mit Mitteln aus den rasant steigenden Mehrwertsteuereinnahmen unterstützen«, sagte Bartsch. 2022 würden aufgrund der Preissteigerungen rund 60 Milliarden Euro allein über die Mehrwertsteuer zusätzlich im Staatshaushalt landen. Diese Einnahmen sollten für zielgenaue Entlastungen und eine Deckelung der Gaspreise genutzt werden.

»Dass überhaupt nicht geprüft wird, in welcher wirtschaftlichen Lage sich die Versorger befinden und allen pauschal die Umlage genehmigt wird, ist unverantwortlich von der Bundesregierung«, so Bartsch weiter. Er spielte damit auf die teilweise sehr hohen Profite von Energiekonzernen und damit auf die Diskussion über eine Übergewinnsteuer an. Eine solche Abgabe auf Rekordgeschäfte in Krisenzeiten, die nicht auf eigene Anstrengungen der Unternehmen zurückzuführen sind, könne ebenfalls für eine gezielte Entlastung der Bürgerinnen und Bürger genutzt werden.

RWE und die deutsche Shell-Tochter kündigten inzwischen an, auf Einnahmen durch die Gasumlage zu verzichten. Wie das »Handelsblatt« meldet, wollten die Konzerne mit dem Verzicht »Druck aus der Debatte um die Übergewinnsteuer nehmen«. Eine solche wird vor allem von FDP-Finanzminister Lindner abgelehnt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt zu dem Schluss, eine Übergewinnsteuer wäre rechtlich auch hierzulande möglich. In Ländern wie Spanien, Griechenland, Rumänien und anderen gibt es sie schon.

Am Dienstag rechnete eine neue Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit für die LINKEN-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung vor, was eine solche Abgabe bringen könnte: »Je nach Ausgestaltung und Steuersatz könnte eine Übergewinnsteuer für Öl-, Gas- und Stromkonzerne ›Einnahmen von rund 30 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr generieren‹«, meldet der Spiegel vorab über die Ergebnisse.

Thüringens LINKEN-Co-Chef Christian Schaft sagte mit Blick auf die Ergebnisse der Studie, eine »schnelle und wirksame Entlastung für kommunale Versorgungsunternehmen und Verbraucher*innen wäre finanzierbar. Wenn man sich mit denen anlegen wollen würde, die aus der Krise Gewinne ziehen«. Die LINKE wolle »eine Grundversorgung sicher und bezahlbar«, dazu brauche es eine Übergewinnsteuer.

Auch die Gewerkschaft ver.di erklärte, »die Gasumlage stürzt viele in existenzielle Schwierigkeiten. Die Bundesregierung muss jetzt ein weiteres Entlastungspaket  schnüren, die Übergewinnsteuer und den Gaspreisdeckel  auf den Weg bringen, um Menschen vor Energiearmut zu schützen.«

»Es ist bedauerlich, dass sich die Bundesregierung bei einer Übergewinnsteuer nicht einig wird, bei der Gasumlage aber schon«, kritisierte Markus Gleichmann, energiepolitischer Sprecher der Thüringer Linksfraktion. Seine für Sozialpolitik zuständige Kollegin Karola Stange forderte »Maßnahmen, die die Menschen wirklich entlasten und ihnen die unmittelbare Existenzbedrohung durch die explodierenden Kosten nehmen: Sozialleistungen müssen endlich angepasst werden, ein Härtefallfonds muss im kommenden Haushalt eingerichtet werden«. Außerdem forderte Stange Hilfe für die kommunalen Energieversorger. Auch sie dürften nicht im Stich gelassen werden.

Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow erklärte, »die LINKE kämpft für einen wirksamen Schutzschirm über alle Optionen, in Bundestag und Bundesrat«. In Hamburg wird sich der Sozialausschuss der Bürgerschaft auf Initiative der dortigen Linksfraktion unter anderem mit der Frage befassen, was die Stadt zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger tun kann. Die sozialpolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion, Stephanie Rose, verwies darauf, dass beispielsweise Berlin und Bremen einen Härtefallfonds gegen Energiearmut eingerichtet hätten.

Der Vorsitzende der Bremer Linksfraktion, Nelson Janßen, kritisierte: »An der Gasumlage ist nichts sozial gerecht. Wie sollen Haushalte mit geringen Einkommen diese Zusatzkosten stemmen?« Er verwies darauf, »dass die Menschen in Bremen überdurchschnittlich von der Umlage betroffen sein werden. Bremen gehört zu den drei Bundesländern mit dem höchsten Gasanteil bei der Wohnungsheizung« – die beiden anderen sind Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. »In Bayern und Baden-Württemberg, wo noch besonders stark mit Öl geheizt wird, ist die Betroffenheit von der Gasumlage dagegen deutlich niedriger. Klimapolitisch ist das ein verrücktes Signal«, so Janßen.

Auch Sozialverbände nahmen gegen die Gasumlage Stellung. Der Paritätische Gesamtverband erklärte, »dass Mehrbelastungen insbesondere von ärmeren Haushalten nicht geschultert werden können und warnt vor Gassperren und einer neuen Armutsspirale bis hin zu Wohnungsverlust, sollten nicht unverzüglich Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden«. Man nehme die Ampel-Koalition beim Wort und erwarte »umfassende Hilfen für alle, die sie benötigen«, so der Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Nach Ansicht des Verbandes sind eine Anhebung des Regelsatzes auf 678 Euro und eine Ausweitung des Wohngeldes nötig, damit es einen Ausgleich für alle gestiegenen Kosten gäbe. Diese Maßnahmen müssten umgehend, nicht erst ab Januar 2023 getroffen werden.

Der Sozialverband Deutschland forderte ebenso schnelle Hilfen für Menschen, »die aufgrund der steigenden Kosten ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können. Steuerentlastungen, die vor allem Reichen zugutekommen, sind dabei der falsche Weg«, so der SoVD-Präsident Adolf Bauer. (aus Susannes Büros)