»Was ist mit Thüringen los«

Vor 15 Jahren gründete sich der Thüringer Landesverband der LINKEN. Gregor Gysi machte damals eine Vorhersage und sollte Recht behalten. Heute regiert ein linker Ministerpräsident, und die Landesvorsitzenden gratulieren zum Parteigeburtstag mit einer Hommage an die Solidarität.

14. Juli 2007, die traditionsreiche Gothaer Stadthalle, es ist ein besonderer Parteitag. Gregor Gysi, damals Chef der linken Bundestagsfraktion, ist nach Thüringen gekommen, um den Delegierten eine Vorhersage zu machen. Er »finde, die LINKE ist hier einfach besser. Und weil ich das finde, ich habe noch einen Hintergedanken, den sage ich Euch dann, möchte ich natürlich, dass Ihr gestärkt aus der nächsten Wahl hervorgeht. Dafür muss man hart arbeiten. Dafür muss man ehrlich und vertrauenswürdig sein. Dafür muss man ran an die Bürgerinnen und Bürger. Das ist klar. Das wisst Ihr alle selbst. Aber ich sage Euch auch, es hat ungeheure bundespolitische Bedeutung.«

Was Gysi meinte, war damals allen klar: Wenn es gelingen könnte, erstmals eine linke Landesregierung anzuführen, »wenn also Bodo Ramelow endlich ein tüchtiger Ministerpräsident des Landes Thüringen wird, sage ich einmal, und das braucht dieses Land, dann hat das erstmal unmittelbar positive Folgen für Thüringen«, sagte Gysi damals – und redete auch über die bundespolitische Bedeutung eines solchen Schrittes. Ein linker Ministerpräsident, das sei eben »nicht nur wegen der Verbesserung der Wirtschaftspolitik, nicht nur wegen der Verbesserung der Sozialpolitik, Wissenschafts-, Bildungspolitik« wichtig. Es würde auch, war sich der Fraktionschef im Bundestag sicher, »auch die Journalistinnen und Journalisten aus den USA, aus Finnland, aus Spanien, aus Portugal, von überall« interessieren. »Weil die wollen wissen, was ist mit Thüringen los.«

Es hat dann zwar 2009 bei den folgenden Landtagswahlen noch nicht geklappt, aber dafür fünf Jahre später. Was damals wie heute eine Richtschnur für linke Politik in Thüringen war und ist, formulierten die Delegierten des Gothaer Parteitags damals in einer Erklärung. »Unser Land Thüringen ist reich an klugen Menschen, reich an Wissenschaft, Kultur und einer wunderschönen Natur. In Wirtschafts- und Dienstleistungsunternehmen, im Thüringer Handwerk und Gewerbe sowie im sozialen und kulturellen Bereich mühen sich Menschen um Innovation, Service, um eine gute medizinische und soziale Versorgung.« Linke Politik kümmert sich darum, jene, die von diesen Möglichkeiten noch ausgegrenzt sind. Es gehe darum, hieß es in der Gothaer Erklärung seinerzeit, »die Potenziale und Ressourcen von Thüringen müssen so genutzt werden, dass alle Menschen und auch künftige Generationen gut davon leben können. Es geht um reale Veränderung der Lebenssituation vieler Menschen in unserem Land.«

Mehr zur Geschichte der Thüringer PDS und LINKEN gibt es unter anderem in dieser von 1990 bis 2014 reichenden Chronik, die der langjährige Landesvorsitzende Knut Korschewsky erstellt hat. Vielfältige Einblicke in die Geschichte der Landtagsfraktionen von PDS und LINKEN in Thüringen gibt es auf dieser Sonderseite zum »Thüringer Weg«.

Dafür setzen sich nicht erst seit 15 Jahren viele Linke in Thüringen ein. Mit dem Neugründungsparteitag, der die Fusion mit der Wahlalternative auch im Freistaat offiziell vollzog, wurde eine neue Etappe begonnen. Heute haben die Landesvorsitzenden Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft allen Grund, zu gratulieren. In ihrer »Hommage an die Solidarität« zum 15. Geburtstag heißt es unter anderem: »Unsere Genoss*innen machen sie stark, wirkmächtig, attraktiv und wunderbar. Jede und jeder Einzelne von euch. Diese Mitglieder sind wir alle: Aktive in den Basisorganisationen, Arbeitende, Studierende, Rentner*innen, Selbständige, Gewerkschafter*innen, Aktive in der Flüchtlingssolidarität oder der Friedensbewegung, Künstler*innen, Queer-Aktivist*innen, Vereinsmitglieder, Feuerwehrfrauen und -männer, Landrät*innen, Bürgermeister*innen und all die Mandatsträger*innen in Stadträten, Kreistagen, Landtagen, dem Bundestag oder dem Europaparlament, als Minister*innen oder gar als Ministerpräsident. Wir sind Alte, Junge, Frauen, Männer, hetero, queer, migrantisch geprägt oder nicht, sanft und ehrlich, wütend und leidenschaftlich – in dieser Vielfalt eint uns: wir alle wollen das bessere Leben. Für alle Menschen, in Deutschland, in Europa und auf dem ganzen Globus. Die Vielfalt ist unsere Stärke und unsere Herausforderung.«

Anderthalb Jahrzehnte, um gemeinsam die Welt zu verändern – für uns, für euch, für all die anderen da draußen, so formulieren es Ulrike und Christian: »Wir sind eine wichtige, außerparlamentarische Bündniskraft auf dem Land wie in den urbanen Gebieten unserer Städte. Wir sind eine zuverlässige Opposition gegen die kapitalistische Ordnung und streiten für eine Welt, in der die Freiheit und soziale Sicherheit der Einzelnen die Voraussetzung für die Freiheit aller ist. Wir sind aber auch eine fantasievolle und wirkmächtige Regierungspartei. Wir können mit Bewegungen und Initiativen auf der Straße Hand in Hand für das bessere Leben kämpfen und diese Auseinandersetzung dann in die Parlamente tragen und sie in Gesetzesinitiativen gießen.«

Die LINKE als politische Kraft der Hoffnung, als eine, wie es Ulrike und Christian schreiben, »gemeinsame, eine offene Linke, die sich jederzeit und überall für die Gleichheit aller und die Freiheit eines und einer Jeden einsetzt. Das eine geht nicht ohne das andere. Es gibt keine soziale Gerechtigkeit ohne Solidarität und es gibt keine wirkliche Freiheit ohne die Gleichheit aller in ihrer Verschiedenheit.«

Damals, vor 15 Jahren in Gotha, hat Gabi Zimmer unter anderem von der Erfahrung gesprochen, »dass Demokratie und mehr Demokratie entscheidend für notwendige politische Veränderungen sind. Vom allerersten Augenblick an«. Und sie sprach auch von Glaubwürdigkeit und Alltagstauglichkeit, »ob als kommunale Abgeordnete, Bürgermeister oder als engagierte Mitglieder in Bürgerinitiativen«.

Auch das war und auch das bleibt richtig. Bodo Ramelow mahnte vor 15 Jahren, »wir haben uns nicht hier versammelt als Selbstzweck, weil auch die Partei, die wir jetzt bilden, kein Selbstzweck ist«. Denn eine linke Partei mache nichts nur für sich selbst, sie hat Verantwortung für Menschen, für Veränderung – »damit von links die Themen in der Gesellschaft wieder mit größerem Druck auf die Tagesordnung kommen«, so Bodo damals in Gotha.

»Es ist dringend und bitter notwendig, dass wir wieder Wind und starken Wind von links bekommen.« Wer würde dem heute widersprechen wollen. Also: Auf die nächsten 15 Jahre. (aus Susannes Büros)