Beiräte sind kein Politikersatz

Wenn die CDU nach 16 Jahren Regierung meint, die im Grundgesetz verankerten gleichwertigen Lebensverhältnisse in einem Beirat herstellen zu wollen, wird deutlich, dass sie nur auf der Suche nach einem Oppositionsthema ist, ohne viel inhaltlichen Beitrag. Wer gleichwertige Lebensverhältnisse will, muss mehr Neugier aufbringen für den ostdeutschen Eigensinn und Erfahrungsvorsprung. Es braucht mehr als „Nachbau West“.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was sind gleichwertige Lebensverhältnisse? „Gleiche Chancen für alle – egal wo in Deutschland“, so hat das zumindest die „Tagesschau“ mal für alle definiert. Wir alle wissen, dass es um diese Gleichwertigkeit in Deutschland nicht gut bestellt ist.

Seit Jahren reden wir darüber, dass es gravierende Unterschiede bei den Einkommen, bei der sozialen und öffentlichen Infrastruktur und bei den Möglichkeiten, die der Staat garantieren soll, gibt. Wir könnten uns jetzt jede Menge Zahlen vorlesen, aber wir alle kennen die Statistiken, die das eindrucksvoll bezeugen.

Es hat viele Reden und Versprechungen gegeben, etwas zu ändern, im Besonderen auch von der Union. Es ist dann allerdings ziemlich wenig passiert. Wenn die Union, die 16 Jahre die Kanzlerin gestellt hat und einen Kanzler hatte, der „blühende Landschaften“ versprochen hat, jetzt das Thema auf die Tagesordnung bringt und einen Parlamentarischen Beirat vorschlägt, um ein so wichtiges, im Grundgesetz verankertes Ziel herauszuheben, und den Querschnittsbezug zu betonen versucht, frage ich mich allerdings: Warum haben Sie das Thema nicht schon herausgehoben, als Sie selbst noch in Regierungsverantwortung waren?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Also, warum gibt es diesen Beirat nicht schon längst, wenn ohne ihn nichts geht?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Entscheidend aber bleibt doch, dass endlich mehr in Richtung gleichwertige Lebensverhältnisse geschieht, ganz praktisch, mit wirksamen Maßnahmen, an deren Ende wirklich gleiche Chancen stehen. Es geht hier nicht um eine politische Formel oder Beiräte als Ersatz für politische Entscheidungen; es geht um den Alltag von vielen Menschen, um ihre Möglichkeiten und ihre Zukunft. Und das müssen wir dieser Regierung, dieser Ampel abtrotzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind natürlich nicht nur, aber eben auch eine zentrale Frage des Ostens. Es braucht im Osten echte Fortschritte, und zwar solche, die bei den Menschen im Osten auch ankommen. Im Portemonnaie, bei der Frage, ob noch ein Fernzug im Ort hält, und natürlich auch im Herzen muss das ankommen. Ja, es geht hier um Anerkennung, um Respekt vor Biografien und vor Lebensleistungen.

Carsten Schneider hat angekündigt, die Einheit auf Augenhöhe vollenden zu wollen. „Augenhöhe“ bedeutet, den Blickwinkel des anderen einzunehmen, wahrzunehmen und auch mal in eine andere Blickrichtung zu schauen. Ich wünsche mir deshalb mehr Bereitschaft, den ostdeutschen Erfahrungsvorsprung für das Ganze zu nutzen. Meine Fraktion wird in allen Ressorts einfordern, mehr Neugier für den ostdeutschen Eigensinn aufzubringen, der sich aus dem progressiven Aufbruch von 1989 speist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn es also um gleichwertige Lebensverhältnisse im Osten geht, heißt das für mich, neue Perspektiven über bloßes Aufholen hinaus zu ermöglichen. Es braucht im Osten mehr als einen Nachbau West.

(Beifall bei der LINKEN)

Werte Union, wir werden Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)